„Alternativer“ Ethikunterricht: Erteilt die Diözese die Lehrbefähigung?

„Alternativer“ Ethikunterricht: Erteilt die Diözese die Lehrbefähigung?

Die Deutsche und Ladinische Bildungsdirektionen organisieren im Zeitraum von August 2023 bis Mai 2025 einen Ausbildungslehrgang für Ethikunterricht als Alternative zum Religionsunterricht auf Landesebene.
Zurzeit hat nur die Ladinische Bildungsdirektion Informationen dazu veröffentlicht (alle Infos für interessierte Lehrpersonen hier: Einreichungsfrist für die Gesuche 28. April 2023).

Als laizistische Gewerkschaft und im Respekt von Verfassung und Religionsfreiheit sind wir keinesfalls gegen einen „Ethikunterricht“ in Alternative zum „Katholischen Religionsunterricht“. Wir finden aber höchst bedenklich, in welcher Form diese Neuheit in der Autonomen Provinz Bozen ein geführt wird.
Sowohl Rundscheiben in ladinischer Sprache – dem bald eines der Deutschen Bildungsdirektion folgen wird – als auch das beigefügte Infoblatt (in Deutsch) lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass:

1.    der lehrbefähigende Lehrgang von der Autonomen Provinz Bozen in Zusammenarbeit mit der „Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen“ organisiert wird;
2.    der Lehrgang für alle Lehrkräfte im Dienst an der ladinischen Schule offen ist – und in Zukunft auch allen im Dienst in der deutschen Schule – sofern sie im Besitz einer Lehrbefähigung oder eines gültigen Studientitels für irgendein Unterrichtsfach sind;
3.    dies die einzige Möglichkeit darstellt, die Lehrbefähigung zu erlangen für das Unterrichtsfach „Ethik“, das die verpflichtende Alternative zur „Katholischen Religion“ wird (Art. 1 Abs. 13, LG vom 16.7.2008 Nr. 5).

Trägerin der „Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen“ oder in Italienisch ohne Philosophie „Studio Teologico Accademico“ am Seminarplatz 4 in Brixen ist, wie auf ihrer Webseite zu lesen ist, die Diözese Bozen-Brixen.
Um unnötige Polemiken zu vermeiden, stellen wir klar: Wir hegen keinerlei Zweifel an der Qualität ihrer Lehre, und wir hatten auch nichts dagegen einzuwenden, dass ihre Titel von der Provinz für den Unterricht der katholischen Religion anerkannt werden.

Der „Ethikunterricht“ richtet sich allerdings ausschließlich an „nichtkatholische“ Schüler:innen. Wir verwenden diesen eher ungebräuchlichen Begriff, aber wir wüssten keinen besseren zur Beschreibung von Schüler:innen und ihrer Familien, die aus verschiedensten Gründen das Gesuch zur Befreiung vom Religionsunterricht ausgefüllt haben (Im restlichen Italien funktioniert es genau umgekehrt, wer den katholischen Religionsunterricht besuchen will, stellt einen Antrag).

Wir fragen uns: Können die nicht katholischen Schüler:innen zu einem Ethikunterricht verpflichtet werden, der von Lehrer:innen durchgeführt wird, die ihren Ausbildungstitel  ausschließlich an einer katholischen Hochschule erworben haben? Werden die Eltern, die religiösen Gemeinschaften, die nicht katholischen Vereine dies akzeptieren? Oder werden sie es wie einen Zwang empfinden, eine Verletzung der Religionsfreiheit, ein Aufdrängen der katholischen Religion in anderer Form? Gibt es die Möglichkeit einer Verweigerung? Welche verfassungsrechtlichen Fragen könnten sich daraus ergeben?

Auch für die Lehrpersonen ergeben sich Probleme: Auch ohne Aristoteles zu zitieren, ist doch die Ethik ein Zweig der Philosophie. Daher scheint es uns wenig professionell, nicht denen Lehrpersonen den Zugang zu erleichtern, die bereits einen Titel in Philosophie oder einem vergleichbaren Fach haben, insbesondere für die Oberstufe. Dies wäre sowohl für die kleinere Anzahl der Lehrpersonen für die ladinische Schule sinnvoll, umso mehr aber für die beiden größeren Bildungsdirektionen, die in den Wettbewerbsklassen A018 (Philosophie und Humanwissenschaften) bzw. A019 (Philosophie und Geschichte) noch zahlreiche Supplent:innen aufweist.